Dienstag, 20. September 2011

Passenhalden 2011 - Eine Wiese - hundert Nächte

Unvergesslich - Passenhalden 2011. Seit 35 Jahren treffen wir uns nun im Sommer auf dieser einmaligen Wiese oberhalb von Denkendorf. Hundert und mehr Nächte haben viele von uns in dieser Zeit dort verbracht, viele davon durchgemacht.
Eine Würdigung der Nächte auf Passenhalden bei der traditionellen Eröffnung von Paha 2011 durch den Präsidenten:

When the night comes oder besser How the night comes to Passenhalden – 35 Worte zur Nacht

1 Dort wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, dort wo 2 nachts alle Katzen grau sind, wo die 3 Stille der Nacht der Dunkelheit das Blaue vom Himmel erzählt, dort liegt eine Wiese. Ist sie geeignet, um 4 die Nacht zum Tage zu machen?
Die Ansichten darüber waren wie 5Tag und Nacht.
Deshalb fand der Vorschlag Anklang:
Freunde, lasst uns eine 6 Nacht drüber schlafen, denn 7 der Tag ist zum Sehen da, die Nacht zum Hören (Marokko). Nachdem alle eine Nacht lang in sich gehört hatten wurde 8 in einer Nacht- und Nebel-Aktion ein salomonisches Urteil gefällt: Wir wagen es, wir schlagen uns auf dieser Wiese 9 eine Nacht um die Ohren, denn 10 niemand kann den Morgen erreichen, ohne den Weg der Nacht zu durchschreiten (Ghibran). Alle waren einverstanden, denn sie wussten, dass 11 einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt – es ist niemals gutzumachen (Kafka). Im Sommer 1976 wollten es einige junge Männer und wenige junge Frauen wissen: 12 Hat jeder Tage seine Plage und die Nacht ihre Lust? (Goethe) Getreu einer weiteren Weisung Goethes 13 ‚Seid reinlich bei Tage und säuisch bei Nacht, so habt ihrs auf Erden am weitsten gebracht’ brachten es manche sehr weit. Und manches Gesicht wurde dabei 14 hässlich wie die Nacht finster.
15 Sie hatten das Recht der Nacht und sie tagten solange es Nacht war. Es geschah, was geschehen musste: 16 Die Nacht war ein Löschblatt für viele Sorgen (Litauen). Das gefiel ihnen.
Sie, die sie das 17 Recht der ersten Nacht auf der Wiese für sich in Anspruch nahmen, sie, die sie 18 die Nacht suchten, und dafür die Sterne in Kauf nahmen, beschlossen, sich im folgenden Jahr erneut auf der Wiese zu treffen.
Dieses Mal bemerkten sie erstmals, dass 19 alle Bäume in der Nacht anders singen als am Tage. Darob entflammte ein heftiger Streit, ob die Bäume nicht zu fällen oder abzusägen seien. Kühlung brachten erst die Worte von Franz Grillparzer: 20 Aus Tag und Nacht hat wohlbedacht, der Herr des Lebens die Welt gemacht, die Dichtung ist Tag in klarer Pracht, Musik die weltverkündende Nacht.
21 Als die Nacht die Kerzen ausgebrannt hatte (Shakespeare) und 22 alle auf dem Pfad der Nacht die Morgenröte erreicht hatten, ward entschieden: Musik gehört dazu, um die Bäume am Leben zu erhalten und zu übertönen, am besten sollte die Musik leibhaftig sein. Außerdem durfte ein kleiner Ast abgesägt werden.
Es folgten derer viele Nächte, in denen sich schnell zeigte, warum es mehrerer Nächte brauchte, um die Erfahrungen tiefer und sinnlicher werden zu lassen, denn 23 eine Nacht kann viel zutage bringen. Denken wir nur daran, dass 24 die Nacht die Königin der Schatten ist (Senegal) und 25 wie Menschen, die bei Tag nicht gehen dürfen, bei Nacht schleichen (Shakespeare). Wir lernten schnell, dass 26 die Brücke zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen ganz andere Menschen trägt als die zwischen Morgengrauen und Abenddämmerung – auch wenn sie dieselben sind. So ist inzwischen unstrittig, 27 dass die Menschen ehrlicher werden, wenn die Nacht beginnt. Bis der Tag herankommt und sie merken, was sie mit ihrer Wahrheit der Nacht angerichtet haben. Doch auch in solchen schwierigen Situationen half uns die Tatsache, 28 dass auch nachts die Milch weiß ist (Südafrika) und das Weizenbier naturtrüb, denn 29 nur die Nacht versteht den Tag. Schwieriger war es manchmal die Freunde und Gäste zu verstehen. Hundert Nächte haben uns gelehrt: 30 Je tiefer die Nacht, je dümmer die Sprüche. Und wie gut es ist, dass die 31 Schlaflosen der Nacht die Schläfrigen des Tages sind.
Und so ist es nun, dass sich nach 100 Nächten die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass 32 ein guter Tag mit einer guten Nacht anfängt, weswegen auch meine Eröffnungsrede mitten in die Feiern fällt und nicht mehr den eigentlichen Beginn ausmacht. Und der Tatsache, dass die einstmals jungen Männer und Frauen in die Jahre gekommen sind ist die Bitte für die Zukunft geschuldet: 33 Ihr, die ihr im Glashaus sitzt, solltet euch im Dunkeln ausziehen.

Liebe Freunde, lasst mich meine Erfahrungen und Erkenntnisse lyrisch zusammenfassen.

Nachtschwärmen
Die alte Wiese liegt da, leicht sich neigend,
Als habe die vielen Feste sie müde gemacht.
Ich und mein Lieb – hier ruhen wir schweigend –
Und vor uns wallt die Erinnerung an manche Nacht.
Bis sich zwei schöne Gedanken begegnen, –
Dann löst sich der bleierne Wolkenhang.
Goldene, sprühende Funken regnen
Und füllen die Welt mit lustigem Klang.
Ein trüber Nebel ist uns zerronnen.
Ich lege meine in deine Hand.
Mir ist, als hätt ich dich neu gewonnen. –
Und vor uns schimmert ein goldenes Land.

Frei nach Joachim Ringelnatz


Liebe Freunde,

haltet inne. Ich bin in doppeltem Sinne enttäuscht. Zum einen von den Statistikern und Griffelspitzern unter euch, die nicht bemerkt haben, dass dies erst das 34. Wort zur Nacht ist und ganz besonders denen unter euch, die für sich in Anspruch nehmen eine hohen EQ zu haben und dem amtierenden sowie den ehemaligen Nagelkönigen. Keiner kümmert sich um den Nagel und wie es dem in all diesen langen Nächten ging. Zum Glück gibt es einen Präsidenten, der sich um alle sorgt:


Ein Nagel saß in einem Stück Holz

Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch an jenem Baum, der längst sein sollte ohne Laub
Sie wurden intim.

Kurz, eines Nachts entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!